Montag, 28. November 2011

Aufklärung heute!? - im Dialog mit Boualem Sansal & Stéphane Hessel

Liebe Leserinnen und Leser,

im Rahmen der Aufklärungsvorlesung ist es gelungen den diesjährigen Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels Boualem Sansal und den Philosophen, Widerstandskämpfer sowie Diplomaten Stéphane Hessel nach Tübingen zu holen!

Beide werden kommenden Januar im Dialog mit Jürgen Wertheimer der Frage nach der gegenwärtigen Verfassung sowie etwaigen Potentialen der Aufklärung nachgehen.

  • 18.01.2012 - Aufklärung heute!? - im Dialog mit Boualem Sansal
    (20 c.t. Uhr - Kupferbau HS 25)
  • 26.01.2012 - Aufklärung heute!? - im Dialog mit Stéphane Hessel
    (20 c.t. Uhr - Kupferbau HS 25)
 
 
 
 
 
 
    Die Veranstaltungen finden in Zusammenarbeit mit dem Institut Culturel Franco-Allemand, Tübingen, statt.

    Dienstag, 22. November 2011

    Stéphane Hessel: Empört Euch! (Indignez-vous!)

    Liebe Leserinnen & Leser,

    hier der Verweis auf Stéphane Hessels 2010 erschienenes Pamphlet Empört Euch!, das der Aufklärung von der Gegenwart her neue Impulse zu geben versucht, indem die (öffentliche) Empörung als zentrales Bürgerrecht & Notwendigkeit im Hinblick auf gegenwärtige Krisensituationen in den Mittelpunkt gerückt wird.

    Anbei das ganze als Hörbuch...

    (Teil 1)
    (Teil 2)
    (Teil 3)

    Donnerstag, 17. November 2011

    III. Briefe zur Vorlesung von Jürgen Wertheimer


    Was unsere Planung betrifft, auch am 21. November die Vorlesung abzuhalten, so möchte ich doch noch zwei Punkte erwähnen:
    •  Die Poetik-Dozentur-Vorlesungen liegen mir mehr als nur am Herzen; schließlich habe ich sie zehn Jahre lang selbst betrieben. Andererseits kam der Termin der Eröffnungsveranstaltung erst lange nachdem die Planungen für diese Vorlesung zustande und ist von mir nicht zu verantworten. Freilich sind Überschneidungen bei der Dichte von Veranstaltungen in Tübingen im November kaum zu vermeiden. Andererseits haben Vorlesungen schon ihre eigene Geometrie und ich kann ein mir wichtiges Element nicht einfach ausfallen lassen ohne das Ganze zu beeinträchtigen. Der satirisch-polemische Aspekt der Aufklärung nimmt eine wichtige Stellung ein und muss auch zu diesem Zeitpunkt thematisiert werden.
    • Nun noch einmal rückblickend zur vergangenen Stunde: Der wohl wichtigste Punkt der Nathan-Vorlesung lässt sich dahingehend fokussieren, dass man durch jede halbherzige Verwendung des relativierenden Systems noch immer im Argumentationsduktus des monotheistischen, also auf einen Wahrheit abzielendes Denkmodell verbleibt. Solange die Option des einen, etwas echteren Rings noch aufrecht erhalten bleibt, so lange ist die Wirkungskraft dieses Denkens nahezu ungebrochen. Lessings Modell zielt aber genau darauf ab, den Zwang dieses Denksystems zu unterlaufen und seine Begrenztheit sowohl intellektuell wie emotional aufzuzeigen. Dazu gehört die Austauschbarkeit der Identitätsentwürfe, die bis zur Verwechselbarkeit der ineinander verwobener Gesamtstruktur der überlieferten Schriften und der strukturellen Mehrdeutigkeit des Ganzen im Stück reicht.
    • Im Anschluss an die Vorlesung wurde die Frage gestellt, ob nicht ein Restbestand an größerer Eindeutigkeit zugunsten der christlichen Religion offen im Stück angelegt sei. Ich möchte dem nicht nur widersprechen, um klarzustellen, dass meiner Ansicht nach die verbliebene Denkmöglichkeit um den einen, echten Ring durch das Verwirrspiel der richterlichen Argumentation unterlaufen wird, sondern noch hinzufügen, dass damit das Ganze des Bauplans dieses Stückes gefährdet würde. Es geht vielmehr darum, unseren Reflex, restbestandsartig immer noch eine Option etwas mehr zu privilegieren, freizulegen, bloßzustellen, um sie möglicherweise einer Korrektur zu unterziehen.

    Soweit für heute, nächstens mehr

    Jürgen Wertheimer

    Mittwoch, 9. November 2011

    II. Briefe zur Vorlesung von Jürgen Wertheimer

    Dem Wunsch nach griffigen Thesen vermag ich nur  bedingt nachzukommen, dies auch aus prinzipiellen Gründen: Komplexe Systeme darstellen zu wollen, beinhaltet meines Erachtens eben gerade nicht, sie durch gewohnte Kurzthesen entsprechend zu verkürzen, sondern sie vielmehr in ihrer Länge, Diskontinuierlichkeit und inneren Widersprüchlichkeit wahrzunehmen. Dies gilt im Fall der Aufklärung sogar in besonderem Maße.
    Dennoch: Hier  noch einmal die Zusammenfassung einiger Punkte, die ich allerdings schon des Öfteren genannt habe, dass sie allein durch Redundanz schon eingängig geworden sein sollten:

    1. Aufklärung ist ein Phänomen, welches aus Widersprüchen lebt. Einer davon ist der zwischen historischem Erbe und dem bis in die Gegenwart reichenden sachlichen Auftrag. Ein anderer ist der zwischen dem Kampf gegen Ideologien und der Notwendigkeit, Teil einer kommunikativen Kampagne ideologischer Wucht und Dimension zu sein. 
    2.  Eine andere These hat damit zu tun, dass Redundanz und Progress ganz offenbar Teil einer diskursiven Maschinerie zu sein scheinen. Ab einem gewissen Punkt beginnen europaweit Reflexionen um im Wesentlichen ein und dieselbe Frage, nämlich mit welchen Erkenntnismöglichkeiten sind wir ausgestattet, um Wahrheit über Gott und die Welt selbsttätig herstellen zu können. Einmal in Gang gesetzt, diversifiziert sich die Methode in unendliche viele Einzelansichten, die sich dennoch insgesamt zu einem Puzzle verdichten. Die Positionen von Locke, Hobbes, Spinoza , Descartes u. a. haben allesamt einen gemeinsamen Nenner und innerhalb dessen eine gewisse Streubreite.
    3. Eine weitere These würde sich auf das konzentrieren, was mit dem Entstehen einer kritischen Masse beschreibbar ist: 1800 erreicht die Zahl der Publikationen ein solches Volumen, eine solche diversifizierende Kompetenz, dass aus dem Geflecht von Spruch und Widerspruch, These und Gegenthese ein kommunikatives Gesamtdenksystem entsteht, was die Diskurse zu Beginn um eine Vielzahl übertrifft. 
    4. Im Gefolge dessen  entsteht ein auf sich und die individuelle Wahrnehmungsschulung bezogenes Gesamtszenarium, das dazu führt, von nun an in fast alle literarischen, artistischen und wissenschaftlichen Teilsysteme einzudringen. Hier folgt es einer neuen, paradoxalen Wendung: Zum einen materialisiert sich ein Lenksystem als das dominante, zum anderen führt dies dazu, dass natürlich immer neue Abgrenzungen und Differenzierungen notwendig werden, eben weil diese Verkettung entsteht.  
    5. Diese Verkettung führt zu einem letzten Aspekt, den ich hier thematisieren möchte: Das Denken in Vernetzungen unterschiedlicher Szenarien auch wissenschaftlicher Art führt zur Notwendigkeit einer immer stärkeren definitorischen Abgrenzung. Eine große Systemleistung des aufklärerischen Diskurses besteht darin, den Agierenden dazu zu bringen bzw. anzuleiten, begrifflich schärfer und klarer zu werden. Die Erschaffung des begrifflichen Instrumentariums hat zur Folge, dass die Aufklärung an rhetorischer und performativer Wucht gewinnt und schließlich das Denken eines Zeitalters normativ bestimmt. Der Schritt von der Norm zur Ideologie ist gering und über eben diesen Prozess müssen wir uns in der Folge der Vorlesung verständigen.

    Mittwoch, 2. November 2011

    Briefe zur Vorlesung von Jürgen Wertheimer

    Wenn einer eine Vorlesung hält, sollte er, neben dem rein Stofflichen, reflektieren was er tut. Wenn einer eine Vorlesung zum Thema Aufklärung hält, ist dieser Schritt unverzichtbar.

    Auch die Paradoxie, die mit der Tatsache einhergeht zehn Stunden oder länger zu verkünden, Aufklärung sei im Kern definitiv mit autonomer Verstandestätigkeit ohne Mitwirkung eines Vormunds verbunden – und dann eine Vermittlungsform zu wählen, die genau dies verhindert – und wenn nicht grundsätzlich verhindert, doch sehr schwer macht.

    Eine Antwort zu sehen, fällt nicht ganz leicht: Natürlich könnte man sich darauf berufen zu sagen, dass der Vortragende ja nur Impulse zu geben vermag, die den Hörenden dazu veranlassen möchten, kritisch mit den Dargebotenem umzugehen und seine eigene Meinung zu bilden. Man könnte auch versucht sein, sich auf das nun einmal gegebene Format der „Vor-Lesung“ zurückzuziehen. Aber beides löst das Problem nicht. Die Wahrheit ist, dass eine Vorlesung zu diesem Thema gewissermaßen den Rückfall in einen voraufklärerischen Status bedeutet. Außer es gelänge, den interaktiven Teil, das dialogische Moment drastisch auszubauen, eine Art Theater der Meinungen zu inszenieren und ein Netzwerk aus Einzelstimmen zu dokumentieren. Ein System, dessen Regeln ich natürlich nicht definieren darf, sondern das sich ausbilden muss.

    Was mein Vorgehen im Raum der Vorlesung angeht, so sind auch einige Bemerkungen angebracht.
    1. Ich möchte das, was sich mir als Gesamtsystem Aufklärung darstellt, kondensiert darstellen: dies beinhaltet noch mehr das hermeneutische Problem der subjektiven Fokussierung auf den Standpunkt eines Einzelnen, auch und gerade wenn das was er sagt, plausibel zu sein scheint.
    2. Um dieser „Falle“ zumindest ansatzweise zu entgehen, gibt es eine Reihe von Techniken, die teilweise verwendet werden:
    • Schnelldurchläufe, die allen durch die Beschleunigung anzeigen, dass es sich um ein Konstrukt handelt.
    • Wiederholungen, die den Systemcharakter des jeweiligen Phänomens sichtbar machen.
    • Sprünge, z.B. andere Epochen
    • Aktualisierungen, deren Stichhaltigkeit per se fragwürdig ist, und die nie eines zu eins aufgehen können und sollen.