Die sogenannte Aufklärung beginnt mitnichten erst im 18. Jahrhundert, wenngleich
das Siècle des Lumières meist eben genau dort verortet wird. Durchaus berechtigt weist jener Zeitraum gewisse politische, soziale, technologische sowie ökonomische Besonderheiten auf, welche allesamt mit den grundlegenden Ideen der Aufklärung als wechselwirkende Faktoren oder Resultate verstanden werden können. Die zentralen Figuren des 18. Jh. selbst begriffen die Aufklärung wiederum von je her als „Ausgang“, Bewegung oder Kraft; eben als Prozess. Setzt man Ideen und Erkenntnisse des 17. Jh. mit Kant und Co in Bezug, so lässt sich ohne Zweifel von einer geistigen und methodischen Verwandtschaft beider Denkräume ausgehen. Ohne Descartes, Newton, Locke oder Leibniz wären die fundamentalen Umwälzungen im Weltbild der Moderne bis hin zur Französischen Revolution nicht denk- und erklärbar. Allerdings verweist dieser nicht sonderlich spektakuläre Befund auch auf eine grundsätzliche Tendenz der sogenannten Aufklärung und wurde als solche von einer Reihe namhafter DenkerInnen des 19. Und 20 Jhds. ausführlich thematisiert. Horkheimer und Adorno lokalisieren den Aufklärungsprozess gar am Anbeginn von Zivilisation selbst und gehen davon aus, dass man das Prinzip Aufklärung schon in der Antike als ordnungsstiftende Rationalisierung der Welt, verwirklicht im Ordnungssystem „Mythos“ ausfindig machen könne. Ihre dialektische Aufklärungskonzeption versteht die rationale Organisation von Wissen und Welt als uraltes sowie sich stets wiederholendes Strukturmuster. Foucault, Luhmann, Arendt und andere post-moderne (Nach-)Denker sind in Bezug zur kritischen Theorie in diesem Punkt durchaus anschlussfähig.
Schön und gut! In Lehrbüchern ebenso wie in den Köpfen bleibt die Aufklärung trotzdem nachwievor in eben jenem historischen Raum verhaftet. Als rein historisches Gebilde hochgeschätzt, scheint sie nicht mehr zu sein als ein Stück Geschichte aus vermeintlich besseren Tagen oder schlimmer noch, die naiv-optimistischen Spinnereien einiger „Gutmenschen“ des 18. Jahrhunderts. Dass Aufklärung, verstanden als Denk-Werkzeugkasten und Methode der Selbstreflexion (Diderot) sowie als Haltung oder Frage des Charakters (Foucault, Schiller), auch in der Gegenwart das Potential besitzt den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen, soll innerhalb dieses Beitrags zur Debatte gestellt werden. Es ist zu fragen und diskutieren, auf welche Weise(n) sich das Prinzip Aufklärung heute bemerkbar macht? Inwieweit Dialogisches Prinzip und Enzyklopädische Methode es noch immer vermögen, einen entscheidenden Beitrag zur Lösung der Probleme der Jetzt-Zeit zu leisten? Ob Aufklärung sich heute noch als Geschichte der Gegenwart beschreiben ließe?
Die Aufklärung begreift sich seit jeher als Kultur des Austauschs, der Auseinandersetzung, des Dialogs. Das Blog "Aufklärung heute?" - ganz im Sinne des dialogischen Prinzips - möchte daher eine begleitende sowie ergänzende Kommunikationsplattform zur der im Wintersemester 2011/12 an der Universität Tübingen von Prof. Dr. Jürgen Wertheimer gehaltenen Vorlesung ermöglichen. Oder frei nach Kant: Habe Mut Dich Deiner eignen Tastatur zu bedienen!
Montag, 31. Oktober 2011
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